Im heutigen wettbewerbsintensiven Einzelhandel ist die Sicherung eines optimalen Regalplatzes entscheidend für den Erfolg eines Produkts. Händler bewerten Angebote anhand von Kennzahlen wie Deckungsbeitrag und Lagerumschlagshäufigkeit, doch ebenso wichtig ist die strategische Platzierung, die sowohl verkaufspsychologische als auch logistische Aspekte vereint. Heute analysieren wir, wie Hersteller durch datengestützte Argumentation, verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse und visuelle Präsentationstechniken Handelspartner überzeugen können – von der Deckungsbeitragsberechnung bis zur Regalzonenoptimierung.

Die Ökonomie der Regalplatzierung: Deckungsbeitrag und Drehzahl

Grundlagen der Deckungsbeitragsrechnung

Der Deckungsbeitrag (DB) bildet die zentrale Kennzahl für Handelsentscheidungen, da er angibt, welcher Betrag pro verkaufter Einheit zur Deckung der Fixkosten beiträgt.

Ein Praxisbeispiel aus der Bekleidungsbranche verdeutlicht dies: Bei Jeans mit einem Verkaufspreis von 120€ und variablen Kosten von 50€ pro Stück ergibt sich ein Stückdeckungsbeitrag von 70€. Bei einem monatlichen Absatz von 20 Einheiten und Fixkosten von 500€ Miete resultiert ein Betriebsergebnis von 900€ (Quelle). Für Händler entscheidend ist nicht nur die absolute Höhe des DB, sondern auch die Umschlagshäufigkeit – wie schnell das Produkt im Regal „rotiert“.

Strategische Implikationen für Hersteller

Um Handelspartner zu überzeugen, müssen Hersteller drei ökonomische Argumente kombinieren:

  1. Hoher Deckungsbeitrag pro Flächeneinheit: Produkte mit kompakter Verpackung und hohem DB pro cm² Regalfläche
  2. Bewiesene Absatzdynamik: Verkaufsdaten aus Pilotmärkten oder vergleichbaren Vertriebskanälen
  3. Cross-Selling-Potenzial: Steigerung des Gesamtwarenkorbs durch komplementäre Produkte

Ein Getränkehersteller konnte beispielsweise nachweisen, dass die Platzierung seiner Energy-Drinks in der Sichtzone (1,30–1,70 m) die Umschlagshäufigkeit um 22% steigerte verglichen mit der Bückzone (Quelle) (Quelle).

Die Psychologie der Regalzonen: Von der Reck- zur Bückzone

Horizontale Zoneneinteilung

Regalflächen lassen sich in vier psychologisch wirksame Zonen unterteilen:

1. Reckzone (1,70–2,10 m)
  • Nur 5–8% der Kundeninteraktionen
  • Ideal für: Impulsartikel mit hohem Designfaktor
  • Beispiel: Limited Editions in der Spirituosenabteilung (Quelle) (Quelle)
2. Sichtzone (1,30–1,70 m)
  • 45–50% der Kaufentscheidungen
  • „Goldene Zone“ für Highend-Produkte
  • Eye-Tracking-Studien zeigen: Fixationsdauer um 30% länger als in anderen Zonen (Quelle) (Quelle)
3. Greifzone (0,80–1,30 m)
  • 35–40% der Interaktionen
  • Bevorzugt für Massenartikel des täglichen Bedarfs
  • Mechanische Vorteile: Ergonomisches Greifen ohne Bücken (Quelle)
4. Bückzone (<0,80 m)
  • Nur 7–10% der Aufmerksamkeit
  • Oft für schwere Güter oder Bulk-Verpackungen
  • Achtung: 68% der Kunden meiden diese Zone aktiv (Quelle)

„Die Platzierung in der Sichtzone erhöht nicht nur die Sichtbarkeit, sondern aktiviert im Gehirn das Belohnungszentrum durch die bequeme Erreichbarkeit“ – Shopper Neuroscience Study (Quelle)

Visual Merchandising: Die Kunst der verkaufsfördernden Präsentation

Fünf-Sinne-Prinzip

Modernes Visual Merchandising zielt darauf ab, möglichst viele Sinne anzusprechen:

  1. Visuell: Farbkontraste (z.B. Rot für Sonderangebote)
  2. Taktil: Materialhaptik (Holzregale vs. Metall)
  3. Olfaktorisch: Duftinszenierung (Frischkaffee in der Bäckereiabteilung)
  4. Auditiv: Hintergrundmusik-Tempo (langsam = längere Verweildauer)
  5. Gustatorisch: Probierstationen

Ein Möbelhändler steigerte seinen Umsatz um 19%, indem er Bücherregale mit tatsächlichen Büchern, Pflanzen und dekorativen Rahmen inszenierte – ein Konzept, das sich an Adobe Stock-Vorlagen orientierte (Quelle) (Quelle).

Shopper Insights: Datenbasierte Platzierungsstrategien

Drei Schlüsselkennzahlen

  1. Planungsgrad-Index: Je höher die Kaufvorplanung (z.B. Waschmittel), desto wichtiger die logische Regalstruktur
  2. Entscheidungszeit: Schnelle (<3s) vs. vergleichende (>15s) Kaufprozesse
  3. Blickpfadanalyse: Typische Scan-Muster (Z-förmig vs. spiralförmig)

Eine Studie im Lebensmitteleinzelhandel zeigte: 73% der Kunden orientieren sich an der Farbe der Verpackung, bevor sie die Marke registrieren (Quelle).

Praxiskonzept: Vom Produkt zum Regalrendering

Siebenstufiger Überzeugungsprozess

Marktvalidierung
  • Verkaufsdaten aus vergleichbaren Märkten
  • Testergebnisse von Fokusgruppen
Deckungsbeitragsprognose
  • Detaillierte Kosten-Nutzen-Analyse
  • Break-even-Simulationen
Regalzonenoptimierung
  • Begründete Platzierungsempfehlung (z.B. Sichtzone)
Visual Merchandising-Konzept
  • 3D-Rendering mit Adobe Stock-Vorlagen (Quelle)
  • Cross-Merchandising-Ideen
Promotionsplanung
  • Launch-Kampagne mit POS-Material
Performance-Monitoring
  • SMART-Zielen (Umsatz/m², Drehzahl)
Anpassungsmechanismen
  • Clausele für Platzierungsänderungen

Fallstudie: Erfolgreiche Regalplatzierung bei Luxus-Kosmetik

Ein Hersteller von Anti-Aging-Cremes erreichte eine 40%ige Steigerung der Regalpräsenz durch:

  1. Deckungsbeitragsargumentation: DB von 65€/Stück bei 120 Tagen Lagerumschlag
  2. Zonenplatzierung: Sichtzone + ergänzende Probierstation in Greifhöhe
  3. Sensorisches Design: Duftproben mit haptischem Verpackungsdesign
  4. Blockplatzierung: Vertikale Anordnung aller SKUs in Goldtönen

Die Wissenschaft der Überzeugung

Die Sicherung eines optimalen Regalplatzes erfordert heute die Synthese aus harten ökonomischen Kennzahlen, verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnissen und visueller Inszenierungskunst. Hersteller, die dem Handel nicht nur hohe Deckungsbeiträge, sondern auch durchdachte Shopper-Journey-Konzepte bieten, setzen sich in der Regalverteilung durch. Die Zukunft liegt in dynamischen Platzierungssystemen, die Echtzeitdaten mit KI-gestützten Prognosen kombinieren – doch die Grundprinzipien der Sichtzonen-Optimierung bleiben menschliche Konstanten.

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